Fragestellung: Das Acute Respiratory Distress Syndrome (ARDS) ist von einer überschießenden Immunreaktion des Körpers geprägt und es besteht eine hohen Letalität. Die Behandlung erfolgt bisher weitgehend symptomatisch. Neuronale Guidance Proteine (NGP) beeinflussen die Ausbildung einer akuten Inflammation. Bezüglich der Rolle von Netrin-4 (NTN4) in Entzündungsreaktionen ist noch wenig bekannt. Es stellt sich die Frage, welche Eigenschaften NTN4 im ARDS hat und welchen Einfluss NTN4 auf die Migration von neutrophilen Granulozyten (PMNs) hat.
Methodik: In vitro wurde die Expressionsänderung von NTN4 an A549 Zellen unter Inflammation (durch TNFα) und der Einfluss von NTN4 auf die Migration von PMNs an HMEC‑1 Zellen untersucht. In vivo wurde das ARDS durch ein murines LPS Inhalationsmodell simuliert. Darin wurde die NTN4 Expression analysiert und die Effekte unter Gabe von rekombinantem NTN4 sowie einer NTN4 Blockade (durch Antikörpergabe) getestet.
Ergebnisse: Bei A549 Zellen stieg 24 Stunden nach Auslösung einer Entzündungsreaktion durch TNFα die Expression von NTN4 signifikant (p˂0,001) an. In vivo zeigte sich ebenfalls eine signifikante (p˂0,05) Erhöhung der NTN4 Expression auf mRNA Ebene. Eine Erhöhung der Proteinkonzentration war in dieser Zeit nicht nachweisbar. Durch die Gabe von rekombinantem NTN4 wurde die durch LPS ausgelöste Entzündungsreaktion abgemildert. Die Zytokine TNFα (p˂0,001) und MIP‑2 (p˂0,05) wurden dabei signifikant gesenkt. Allerdings kam es nicht zu einer Reduktion von eingewanderten Zellen in der bronchoalveolären Lavage (BAL). Zur weiteren Überprüfung der Wirkung von NTN4 wurde dieses mittels Antikörpergabe blockiert. Dabei zeigte sich ebenfalls ein milder Effekt, wobei durch die NTN4 Blockade die Zytokine TNFα (p˂0,05), IL‑6 (p˂0,01) und IL-1β (p˂0,01) anstiegen. Zu einer Zunahme von Zellen in der BAL kam es hingegen nicht. Bezüglich des Transmigrationsverhaltens von Entzündungszellen konnte weder in vitro (Transmigrationsassay) noch in vivo ein Einfluss von NTN4 festgestellt werden. 
Schlussfolgerungen: NTN4 besitzt ebenso wie das verwandte NTN1 einen antiinflammatorischen Effekt. Gleichwohl tritt diese Wirkung in relativ geringem Umfang auf und erstreckt sich auch nicht auf die PMN Migration. Deshalb erscheint es fraglich inwieweit Netrin‑4 ein Schlüsselprotein in der Signalkaskade des ARDS darstellt.

03 - Netrin‑4 im akuten Lungenschaden